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Datteln 4: Offener Brief an den Rat der Stadt Beckum

Am 19. Mai 2020 entscheidet die Stadt Beckum im Rat über die Bürgeranregung zu Datteln 4. In einem offenen Brief appelliert Jürgen Blümer, Initiator der Aktion ‘Datteln 4 stoppen wir’ an die Mitglieder des Stadtrates, sich für den Klimaschutz einzusetzen und von der Landesregierung Nordrhein-Westfalens den Stopp von Datteln 4 einzufordern.

Sehr geehrter Herr Bürgermeister,

sehr geehrte Mitglieder im Rat der Stadt Beckum,

am 19.05.2020 werden Sie über eine Bürgeranregung zu Datteln 4 entscheiden. In der Anregung wird der Rat der Stadt Beckum aufgefordert, sich an die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen zu wenden, um sich dort für den Stopp des Kohlekraftwerks Datteln 4 einzusetzen.

Die Vorlage der Verwaltung der Stadt Beckum, die Ihnen vorliegt, verweist auf einen Schnellbrief des Städte- und Gemeindebundes NRW. Dort wird empfohlen, alle Bürgeranträge zu Datteln 4 abzulehnen, da es lediglich  „um Klimagas-Emissionen geht, die außerhalb der Gemeinde produziert werden“. Damit wären mit dem Betrieb in Datteln 4 auch keine gemeindliche Belange betroffen.

Zunächst einmal ist festzustellen, dass die Stellungnahme des Städte- und Gemeindebundes bereits formal Fehlerhaft argumentiert. Denn Städte und Gemeinden äußern ihren Willen zu unterschiedlichsten Themen regelmäßig. Als Beispiel sei hier angefügt: Die Stadt Münster hat noch am 22. Mai 2019 mit einem Stadtratsbeschluss und der Unterzeichnung durch Oberbürgermeister Markus Lewe am 27. September 2019 zur Abschaffung der Atomwaffen aufgerufen. Dabei befinden sich auf dem Stadtgebiet von Münster weder Atomwaffen noch Testgelände oder Produktionsstätten. Die vollständige Liste deutscher Städte und Gemeinden, die hier vorbildlich einer globalen Bedrohung entgegentreten, ist auf der Homepage der Internationalen Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen ICAN zu finden.

Des weiteren ist die Stellungnahme des Städte- und Gemeindebundes auch inhaltlich fehlerhaft. Der Klimawandel – oder präziser: Die von Menschen herbeigeführte Klimakrise – stellt eine globale Bedrohung für die menschliche Zivilisation dar, der nur mit einer monumentalen Kraftanstrengung entgegen getreten werden kann. Die Bedrohung ist deswegen global, weil Treibhausgase, z.B. aus Kohlekraftwerken, in ihren Auswirkungen weder kommunale noch nationale Grenzen kennen. Somit ist von dem Betrieb von Datteln 4 sowohl die Stadt Beckum als auch der Inselstaat Tuvalu im Südpazifik betroffen.

Die Kraftanstrengung, die nötig sein wird, die Klimakrise abzumildern, ist deswegen monumental, weil zu lange weggeschaut und nicht gehandelt wurde. Die Folgen dieses gesellschaftlichen und politischen Versagens treten in diesem Frühjahr 2020 deutlicher denn je zu Tage:

  • Die Internationalen Energie-Agentur IEA schätzt die Absenkung der weltweiten CO2-Emissionen für 2020 aufgrund der Coronakrise trotz des dramatischen Einbruchs der Weltwirtschaft auf lediglich 8 Prozent. Um die Pariser Klimaziele einzuhalten ist jedoch eine Absenkung aller globalen Treibhausgasemissionen um über 10 Prozent erforderlich – jedes Jahr bis mindestens 2030.
  • Der Anstieg der Konzentration von Treibhausgasen in der Erdatmosphäre ist weiterhin ungebrochen. Das Observatorium auf dem Mauna Loa (Hawaii) hat einen neuen Tageshöchststand von rund 418 Molekülen pro Million „Luftteilchen“ (parts per Million, ppm) gemessen. Vor einem Jahr hatte der Höchstwert bei 415 ppm gelegen.
  • Der Sachverständigenrat für Umweltfragen hat in seinem jüngst veröffentlichten Gutachten festgestellt, dass die in Deutschland nach dem Pariser Klimaabkommen zustehenden CO2-Emissionsmengen (CO2-Budgets) bereits in diesem Jahrzehnt aufgebraucht sein werden. Wenn sich an den nationalen Emissionszahlen nichts ändert, ist die Restmenge zum 2°-Ziel 2029, zum 1,5°-Ziel bereits 2026 aufgebraucht.
  • Nach Auswertung aktueller Messdaten sieht die National Oceanic and Atmospheric Administration das Jahr 2020 auf dem Weg, dass heißeste Jahr zu werden, dass jemals gemessen wurde.

Sehr geehrter Herr Bürgermeister,

sehr geehrte Mitglieder des Stadtrates,

die Warnsignale, die uns die Wissenschaft zur Klimakrise tagtäglich auf den Tisch legt, sind eindeutig und fordern uns trotz der weltweiten Pandemie zu raschem und entschlossenem Handeln auf. Ich appelliere an Sie, gerade in dieser Zeit Verantwortung für die Zukunft der Bürgerinnen und Bürger zu übernehmen, deren Stimme sie in dem kommunalen Rat vertreten. Es gibt nichts mehr zu beschönigen, denn die Lage ist nachweislich und faktensicher dramatisch. Es geht nicht mehr darum, irgendwelche Temperaturziele oder Klimagasbudgetgrenzen einzuhalten. Es geht darum, so rasch wie möglich mit allen verfügbaren Mitteln die Emissionen der Treibhausgase abzusenken – uns zwar Tonne für Tonne.

Datteln 4 darf nicht ans Netz gehen, denn dieses Kohlekraftwerk ist eine Absage an den Schutz des Weltklimas und damit an die Zukunft der menschlichen Zivilisation. Sie haben am 19.05. in der Sitzung Ihres Stadtrates die Gelegenheit, dieser Absage ein entschlossenes ‘Nein’ entgegen zu setzen. Seien Sie mutig, denken Sie an die Zukunft und stimmen Sie für die eingereichte Bürgeranregung.

Jürgen Blümer

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